Trägheit wird durch Masse beziehungsweise Trägheitsmoment bewirkt

Bei geradlinigen Bewegungen wird die Trägheit durch die Masse \(m\) eines Körpers hervorgerufen. Desto größer die Masse, desto schwieriger ist es, einen Körper in eine geradlinige Bewegung zu versetzen und desto schwieriger ist es, diesen wieder zu stoppen.

Bei Drehbewegungen wird die Trägheit durch das sogenannte Trägheitsmoment \(J\) bewirkt. Desto größer das Trägheitsmoment, desto schwieriger ist es, einen Körper in Drehbewegung zu versetzen und desto schwieriger ist es, diese Drehbewegung wieder zu stoppen.

Das Trägheitsmoment ist von der Massenverteilung eines Körpers um die Drehachse abhängig. Das Trägheitsmoment eines infinitesimal kleinen Massenpunktes der Masse \(dm\) im Abstand \(r\) zur Dreachse ist:

\[ J = r^2 \cdot dm \hspace{2cm} (1) \]

Drehen sich mehrere Massenpunkte um die gleiche Rotationsachse, müssen die Trägheitsmomente aller dieser Massen addiert werden. Die Massen \(dm_i\) können sich auf verschiedenen Radien bewegen, also in unterschiedlichen Abständen von der Rotationsachse \(r_i\).

\[ J = r_1^2 \cdot dm_1 + r_2^2 \cdot dm_2 + r_3^2 \cdot dm_3 \]

Bei insgesamt \(N\) Massen würde man also über alle Massen \(dm_i\) für \(i = 1 \ldots N\) summieren:

\[ J = \sum_{i=1}^N r_i \cdot dm_i \] Hat man schließlich einen homogenen Körper aus unendlich vielen, infinitesimal kleinen Massen, dann wird die Summe zu einem Integral:

\[ J = \int_r r^2 dm \hspace{2cm} (2) \]

Beim Integrieren ist zu beachten, dass \(m\) von \(r\) abhängig ist, da ja im Allgemeinen zu jedem Massenpunkt \(dm\) ein anderes \(r\) gehört. Der erste Schritt beim Berechnen des Trägheitsmomentes vom homogenen Körpern ist also das Auffinden der Beziehung

\[ m = m (r) \]

Beispiel: Zylinder dreht sich um seine Längsachse

Der Zylinder habe den Radius \(R\). Wir nehmen an, er dreht um eine Achse, die genau durch seine Mitte geht. Die Integrationsvariable \(r\) muss auf jeden Massenpunkt im Zylinder zeigen, es muss folglich von \(0\) bis \(R\) integriert werden.

Um die Beziehung \(m=m(r)\) zu finden, müssen wir nun die Masse finden, die sich innerhalb eines kleineren Zylinders mit dem Radius \(r\) befindet.

Wir wissen, dass \(m = \rho \cdot V\), mit der Dichte \(\rho\) und dem Volumen \(V\). Das Volumen des kleineren Zylinders hängt nun von \(r\) ab, und zwar ist das Volumen des kleinen Zylinders

\[ V(r) = \pi r^2 \cdot h \hspace{2cm} (3) \] also Grundkreisfläche \(\pi r^2\) multipliziert mit der Höhe \(h\).

Damit haben wir:

\[ m(r) = \rho \cdot V(r) = \rho \cdot \pi r^2 \cdot h \hspace{2cm} (4) \] Wir leiten nun \(m(r)\) nach \(r\) ab:

\[ \frac{dm}{dr} = \rho \cdot V(r) = 2 \cdot r \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \] denn alle anderen Größen sind Konstanten. (Wir haben also angenommen, dass der Körper homogen ist, also \(\rho\) NICHT von \(r\) abhängt.)

Dann haben wir also (nach formaler Multiplikation mit \(dr\)):

\[ dm = 2 \cdot r \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot dr \] Damit können wir das obige Integral berechnen:

\[ J = \int_r r^2 dm = \int_0^R r^2 \cdot 2 \cdot r \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot dr = 2 \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \int_0^R r^3 dr \hspace{2cm} (5) \]

Das ergibt

\[ J = 2 \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \left[ \frac{r^4}{4} \right]_0^R = 2 \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \frac{R^4}{4} = \frac{1}{2} \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot R^4 \hspace{2cm} (6) \]

Das Volumen des gesamten Zylinders ist \(V_{ges}=\pi \cdot R^2 \cdot h\), also ist seine Gesamtmasse \(m\):

\[ m = \rho \cdot V_{ges} = \rho \cdot \pi \cdot R^2 \cdot h \hspace{2cm} (7) \] Dies kann in Formel (6) benutzt werden, um den Ausdruck (7) zu vereinfachen:

\[ J = \frac{1}{2} \cdot m \cdot R^2 \hspace{2cm} (8) \]

Beispiel: Hohlzylinder dreht sich um seine Längsachse

Betrachten wir stattdessen einen Hohlzylinder mit den Radien \(R_1\) und \(R_2\) (Innen- bzw. Außenradius).

Der einzige Unterschied ist jetzt, dass in Gleichung (5) jetzt statt von \(0\) bis \(R\) nur von \(R_1\) bis \(R_2\) integriert wird:

\[ J = \int_r r^2 dm = \int_{R_1}^{R_2} r^2 \cdot 2 \cdot r \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot dr = 2 \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \int_{R_1}^{R_2} r^3 dr \hspace{2cm} (9) \]

Das ergibt:

\[ J = 2 \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \left[ \frac{r^4}{4} \right]_{R_1}^{R_2} = 2 \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \frac{R_2^4}{4} - 2 \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \frac{R_1^4}{4} = \frac{1}{2} \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \left( R_2^4 - R_1^4 \right) \hspace{2cm} (10) \]

Wir vereinfachen das wieder mit Hilfe der Gesamtmasse \(m\) des Hohlzylinders. Das Volumen des Hohlzylinders (äußerer Zylinder minus Hohlraum) beträgt:

\[ V = \pi \cdot R_2^2 \cdot h - \pi \cdot R_1^2 \cdot h = \pi \cdot h \cdot \left( R_2^2 - R_1^2 \right) \hspace{2cm} (11) \] Also ist dessen Gesamtmasse

\[ m = \rho \cdot V = \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \left( R_2^2 - R_1^2 \right) \hspace{2cm} (12) \]

Jetzt brauchen wir noch einen kleinen Trick. Laut binomischer Formel ist \(\left( a^2 - b^2 \right) = \left( a + b \right) \cdot \left( a - b \right)\),

also \(\left( R_2^4 - R_1^4 \right) = \left( R_2^2 + R_1^2 \right) \cdot \left( R_2^2 - R_1^2 \right)\) (setze \(a=R_2^2\) und \(b=R_1^2\)). Dies benutzen wir in Gleichung (10):

\[ J = \frac{1}{2} \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \left( R_2^4 - R_1^4 \right) = \frac{1}{2} \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \left( R_2^2 + R_1^2 \right) \cdot \left( R_2^2 - R_1^2 \right) \hspace{2cm} (13) \] Wenn wir hier den Ausdruck für die Gesamtmasse des Hohlzylinders, Gleichung (12), benutzen, erhalten wir

\[ J = \frac{1}{2} \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \left( R_2^4 - R_1^4 \right) = \frac{1}{2} \cdot \rho \cdot \pi \cdot h \cdot \left( R_2^2 + R_1^2 \right) \cdot \left( R_2^2 - R_1^2 \right) \hspace{2cm} (14) \] \[ J = \frac{1}{2} \cdot m \cdot \left( R_2^2 + R_1^2 \right) \hspace{2cm} (15) \] Mehr berechnete Trägheitsmomente gibt es (natürlich!) bei Wikipedia.


Vergleich Hohlzylinder und Zylinder

Nehmen wir an, wir haben einen Zylinder und einen Hohlzylinder gleicher Masse \(m\) und mit gleichem (Außen-)radius (\(R_2=R\)). (Der Hohlzylinder muss also eine größere Dichte haben.)

Die Tragheitsmomente sind:

\[ J_{Zylinder} = \frac{1}{2} \cdot m \cdot R^2 \hspace{2cm} (16) \] \[ J_{Hohlzylinder} = \frac{1}{2} \cdot m \cdot \left( R^2 + R_1^2 \right) = \frac{1}{2} \cdot m \cdot R^2 + \frac{1}{2} \cdot m \cdot R_1^2 = J_{Zylinder} + \frac{1}{2} \cdot m \cdot R_1^2 \] Das Trägheitsmoment des Hohlzylinders ist also größer (es scheint, als ob der Hohlraum ebenfalls ein Zylinder-Trägheitsmoment hat!). Der Hohlzylinder lässt sich also schwerer in eine Drehbewegung bringen und schwerer wieder stoppen. Hier ein kleines Experiment von dieser (englischen) Wikipedia-Seite:


Source: wikipedia.org/wiki/Moment_of_inertiaSource: wikipedia.org/wiki/Moment_of_inertia

Source: wikipedia.org/wiki/Moment_of_inertia


Satz von Steiner

In den obigen Beispielen ging die Rotationsachse durch den Massenmittelpunkt (Schwerpunkt) des rotierenden Körpers. Der Satz von Steiner erlaubt es, Trägheitsmomente zu berechnen, wenn das Trägheitsmoment \(J_s\) bei einer Rotation um eine Achse durch den Schwerpunkt bekannt ist und die Rotationsachse parallel verschoben wird. Es gilt

\[ J_{neu} = J_s + m \cdot d^2 \] Hier ist \(d\) die Strecke, um die die Rotationsachse parallel verschoben wurde. \(m\) ist wieder die Gesamtmasse des Körpers.

Im obigen Bild habe wir es mit einer Drehbewegung zu tun, bei der der Zylinder um eine Achse in der Mantelfläche rotiert. In diesem Fall ist das neue Trägheitsmoment:

\[ J_{neu} = J + m \cdot d^2 = \frac{1}{2} \cdot m \cdot R^2 + m \cdot R^2 = \frac{3}{2} \cdot m \cdot R^2 \] Das Trägheitsmoment ist also wesentlich größer als in den oberen Beispielen. Grundsätzlich ist das Trägheitsmoment bei gleicher Gesamtmasse größer, wenn die Masse sich in größerer Entfernung von der Rotationsachse befindet. Dies wird schon durch die \(r^2\)-Abhängigkeit in Formel (2) deutlich.


Zusammenfassung der wichtigen Formeln

Allgemeine Formel zur Berechnung des Trägheitsmomentes von homogenen (\(\rho = const.\)) Körpern:

\[ J = \int_r r^2 dm \hspace{2cm} \]

Trägheitsmoment eines Vollzylinders, der um eine Achse durch sein Symmetriezentrum rotiert:

\[ J = \frac{1}{2} \cdot m \cdot R^2 \]

Trägheitsmoment eines Hohlzylinders, der um eine Achse durch sein Symmetriezentrum rotiert:

\[ J = \frac{1}{2} \cdot m \cdot \left( R_2^2 + R_1^2 \right) \] Satz von Steiner:

\[ J_{neu} = J_s + m \cdot d^2 \]

Trägheitsmoment eines Vollzylinders, der um eine Achse durch seine Mantelfläche rotiert:

\[ J = \frac{3}{2} \cdot m \cdot R^2 \] Mehr Formeln für Trägheitsmomente auf Wikipedia.


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